DJB Policy Paper des deutschen Juristinnenbunds

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DEUTSCHLAND: SEXUALISIERTE GEWALT

Gewalt im digitalen Raum wird von der Gesellschaft und teilweise auch von den Ermittlungsbehörden nicht ernst genug genommen.

Es wird oft auf die Anonymität der Täter*innen sowie die angeblich geringe Eingriffsintensität verwiesen. Bildbasierte sexualisierte Gewalt im Internet kann jedoch schwerwiegende gesundheitliche Folgen für die Betroffenen haben und stellt einen Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung dar.

Der Deutsche Juristinnenbund (DJB) hat im Juni ein umfangreiches Policy Paper zum Thema veröffentlicht, in dem insbesondere die Lücken im strafrechtlichen Schutz kritisiert werden. Unter dem Begriff der bildbasierten sexualisierten Gewalt werden zahlreiche Phänomene zusammengefasst, wie z.B. „Revenge Porn“, Spy-Cam-Aufnahmen von Genitalien auf Toiletten, das unbefugte Anfertigen von Bildaufnahmen, die eine andere Person nackt oder bei sexuellen Handlungen zeigen, die Herstellung von sexualbezogenen Deepfakes durch die Manipulation von neutralem Bildmaterial und die Verbreitung solcher Inhalte auf Pornoplattformen, teilweise mit persönlichen Daten der abgebildeten Personen.
In einer repräsentativen Befragung in Australien, Neuseeland und Großbritannien gaben 37,7% der Befragten an, schon einmal Opfer von bildbasierter sexualisierter Gewalt geworden zu sein. Diese Zahlen und die durch die Medien bekannt gewordenen Einzelfälle zeigen die Notwendigkeit entsprechender Studien auch im deutschsprachigen Raum. Denn bei dem zugegebenermaßen etwas sperrigen Begriff der bildbasierten sexualisierten Gewalt handelt es sich um (psychische) Gewalt, die schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben kann. Neben psychischen Erkrankungen können Angst vor dem Erkanntwerden, Vertrauensverlust und Schuldzuweisungen durch das Umfeld auch zu sozialer Isolation führen. Die wenigen verfügbaren empirischen Daten zeigen auch, dass es sich um ein Phänomen handelt, das deutlich von geschlechtsspezifischen Machthierarchien geprägt ist und daher Frauen und andere marginalisierte Gruppen wie Trans-Personen stärker betrifft. Zwar können auch cis-Männer von sexualisierter Gewalt im Internet betroffen sein. Bei Frauen führt jedoch die gesellschaftliche Stigmatisierung und Scham im Zusammenhang mit weiblicher Sexualität zu einer zumindest qualitativ stärkeren Betroffenheit. Gerade diese Angst um den Ruf und die eigene Sicherheit, insbesondere in Fällen von Doxing, in denen (auch) die Wohnadresse veröffentlicht wird, wird als Instrument patriarchaler Machtausübung genutzt. Befragungen von Täter*innen ergaben denn auch das Bedürfnis nach Macht und Kontrolle über eine Person, oft die Ex-Partner*in, als wichtige Motive. Aus juristischer Sicht zeigt das DJB-Papier, dass die oben beschriebenen Phänomene nur lückenhaft und damit unzureichend erfasst werden. Dies zeigt sich insbesondere bei erwachsenen Betroffenen, Minderjährige sind (immerhin) durch die Regelungen des § 184b und c StGB weitestgehend geschützt. Da neben der sexuellen Selbstbestimmung auch das Recht am eigenen Bild berührt bzw. verletzt wird, sind hinsichtlich der Verbreitung entsprechender Bilder auch die §§ 22 ff. KUG einschlägig. Die Möglichkeiten zivilrechtlicher Unterlassungsklagen sind jedoch in der Praxis aufgrund der teilweise schwierigen Ermittlung der Verantwortlichen sowie des fehlenden (rechtlichen) Zugriffs auf Server im außereuropäischen Ausland häufig eingeschränkt.
Der DJB schließt daher mit einigen konkreten Forderungen. Rechtspolitisch sollte die Schaffung einheitlicher und systematischer Strafnormen im Mittelpunkt stehen. Wesentlich ist aber auch die entsprechende Sensibilisierung und Schulung der Strafverfolgungsbehörden. Nur so kann auf die vergleichsweise neuen und dynamischen Formen sexualisierter Gewalt umfassender reagiert werden. Als Grundlage für all diese konkreten Schritte ist jedoch eine repräsentative Studie zu Formen, Betroffenen und Täter*innen unerlässlich. Es bleibt zu hoffen, dass das Phänomen der bildbasierten sexualisierten Gewalt die Aufmerksamkeit erhält, die es angesichts der schwerwiegenden Folgen und der unkontrollierbaren Verbreitungsmöglichkeiten entsprechender Bilder verdient.

Direkter Link zum Policy Paper des deutschen Juristinnenbunds (djb.de)
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