Anzeige sexueller Missbräuche durch Organisationen, die vulnerable Personen betreuen

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Gender Law Newsletter FRI 2024#3, 01.09.2024 - Newsletter abonnieren

SCHWEIZ: POSTULATE AUF BUNDESEBENE

Postulat 24.3461: «Straflosigkeit bei Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche und anderen Religionsgemeinschaften verhindern», eingereicht von Fabian Molina am 17. April 2024 im Nationalrat und Stellungnahme des Bundesrats vom 19. Juni 2024

Postulat 24.3472: «Sexueller Missbrauch in Organisationen mit einem Auftrag in der Betreuung von vulnerablen Personen in der Schweiz», eingereicht von der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats und Stellungnahme des Bundesrats vom 19. Juni 2024

Diese zwei Postulate betreffen die Frage, ob bzw. wie die Schutzpflichten gegenüber sexuellen Straftaten von Organisationen, die vulnerable Personen betreuen, verbessert werden könnten.

Der Autor des Postulats 24.3461 möchte den Bundesrat dazu beauftragen, «in einem Bericht darzulegen, wie die Schutzpflichten der als öffentlich-rechtlichen Körperschaften oder Landeskirchen organisierten Religionen durch eine Anzeigepflicht im Strafrecht oder andere geeignete Massnahmen bei Straftaten gegen die sexuelle Integrität verbessert werden können». Er erklärt, dass «[g]emäss geltendem Recht bei Straftaten gegen die sexuelle Integrität für Angestellte der Kirche keine allgemeine Anzeigepflicht [besteht]»
Der Bundesrat beantragt die Ablehnung dieses Postulats 24.3461 mit der Begründung, dass es die Kantone sind, die gemäss Art. 72 Abs. 1 BV  «für die Regelung des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat» und «für die Kriminalitätsprävention und, unter dem Vorbehalt von Artikel 124 BV, für den Bereich des Schutzes von Opfern von Straftaten» zuständig sind. Er ist somit der Auffassung, dass es «in erster Linie in der Zuständigkeit der Kantone liegt, die Einführung einer Anzeigepflicht oder anderer Schutzmassnahmen für Opfer zu prüfen». Er weist auch u.a. darauf hin, dass eine «Kindesschutzbehörde […] im Einzelfall, nach den kantonalen Anzeigeregelungen oder aus rechtfertigendem Notstand (Art. 17 StGB), Strafanzeige erstatten [muss oder kann], sollte sie Kenntnis von einem institutionellen Missbrauchsfall, z.B. in einer Kinderpflegeinstitution oder einem Internat, erhalten».
 
Der Postulat 24.3472 beantragt die Erstattung eines Berichts über die Frage, «inwiefern Organisationen mit einem Auftrag in der Betreuung von vulnerablen Personen […] (z.B. Kirchen, Sportverbände oder Religionsgemeinschaften etc.) in der Schweiz vergangene interne Fälle von sexuellem Missbrauch aufarbeiten und die zuständigen Strafbehörden einschalten sowie welche Massnahmen getroffen wurden, um künftige Missbrauchsfälle zu verhindern. Auf der Grundlage dieser Untersuchung soll ferner ermittelt werden, ob gesetzgeberischer Handlungsbedarf zur Verbesserung der Verhältnisse besteht und welche Handlungsoptionen zu diesem Zweck zur Verfügung stehen».
Der Bundesrat beantragt die Annahme dieses Postulats 24.3472. In seiner Antwort auf das Postulat 24.3461 erklärt er zudem, dass er auf der Grundlage eines Berichts in Erfüllung des Postulats 24.3472 «ermitteln [kann], ob gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht und welche Handlungsoptionen zu diesem Zweck zur Verfügung stehen».

Direkter Zugang zum Postulat 24.3461 (https://www.parlament.ch)
Direkter Zugang zum Postulat 24.3472 (https://www.parlament.ch)