Amtsgericht Solothurn verurteilt eine Salonbetreiberin wegen Menschenhandels
SCHWEIZ, KANTONALE RECHTSPRECHUNG: MENSCHENHANDEL
Amtsgericht, 16. Juli 2019
Gastkommentar von Eva ANDONIE , Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration FIZ
Am 16.7.2019 verurteilte das Amtsgericht Solothurn eine thailändische Salonbetreiberin in drei Fällen wegen Menschenhandels zwecks sexueller Ausbeutung und verurteilte sie zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt 40 Monaten.
Das Gericht anerkannte, dass sich alle drei Betroffenen in einer ausweglosen persönlichen Lage befanden, als sie sich entscheiden in der Schweiz der Sexarbeit nachzugehen. Sie hätten keine reale Chance gehabt, in Thailand Arbeit zu finden, mit welcher sie ihre Familien nachhaltig hätten unterstützen können. Die Beschreibung der Anwerbung und der Druckmittel, die angewandt wurden, zeichnen das Bild eines gut organisierten, strukturierten Täternetzwerkes: Sogenannte «Agenturen» organisieren zu horrenden Preisen die Reise ins Zielland und stellen gefälschter Papiere zur Verfügung. Die hohen Vermittlungsgebühren sollen später abbezahlt werden – die Betroffenen waren im Glauben gelassen worden, dies sei innerhalb kürzester Zeit möglich, deshalb lassen sich viele auf die enorme Verschuldung ein. Im Zielland angekommen, waren sie dem Netzwerk und den SalonbetreiberInnen gänzlich ausgeliefert. Erstere drohten mit Repressalien gegen die Familien, während letztere die Sexarbeiterinnen vor Ort unter Druck setzten und ausbeuten. Ihr Verdienst geht hälftig an die SalonbetreiberInnen und an das Netzwerk. Die Schulden nicht zu bezahlen steht ausser Frage (lesen Sie mehr im FIZ Magazin zum mitunter subtilen Vorgehen der Menschenhändler).
Verfahren gegen Menschenhändler hängen nach wie vor fast ausschliesslich von den Aussagen der Opfer ab. Verurteilungen wegen Menschenhandels sind deshalb schwierig. Ohne Sensibilität und spezifisches Wissen der Richter zu Menschenhandel beispielsweise, können Aussagen oder Verhalten der Betroffenen leicht als unglaubwürdig oder gar gegen Sie ausgelegt werden. Zudem exponieren sich die Betroffenen stark – kann die Täterschaft etwa erwirken, dass sie aus Angst vor Repressalien von einer Aussage absehen, wird eine Verurteilung unwahrscheinlich (lesen Sie mehr im FIZ Rundbrief zur Rolle der Justiz).
Für die Betroffenen geht es um Gerechtigkeit, eine Verurteilung bedeutet, dass das ihnen widerfahrene Unrecht anerkannt wird. Sie stehen aber auch unter enormem Druck, denn vor Gericht werden ihre traumatischen Erlebnisse von Ausbeutung und Zwang verhandelt. Neben der juristischen Unterstützung durch die Anwältinnen ist deshalb auch die Betreuung durch die FIZ Beraterinnen, die als Vertrauensperson unterstützend wirkt, zentral.
Mit ihrer mutigen Aussage stellten sie sich gegen das Täternetzwerk, welches einen solchen Verrat nicht einfach vergeben wird. Die Bedrohungssituation für die Opfer und ihre Familien verschärft sich mit dem Verfahren und dem Urteil. Im Falle einer Rückkehr in die Heimat müssen sie mit Repressalien rechnen. Ob sie den beschwerlichen Weg zurück in ein normales Leben schaffen, hängt stark vom Schutz und der Unterstützung ab, den sie nach dem Strafprozess erhalten. Leider ist es aber möglich, dass sie die Schweiz verlassen müssen, denn ihre Kurzaufenthaltsbewilligung gilt nur für die Dauer des Verfahrens. Einen langfristigen Aufenthalt aufgrund der Gefährdung im Heimatland zu erwirken, ist nach wie vor ein Hürdenlauf mit ungewissem Ausgang. Die FIZ fordert, dass der Staat seiner Verantwortung für den Schutz der Menschenhandelsopfer auch nach Ende des Strafverfahrens nachkommt.