Strafbarkeit rassistischer und homofeindlicher Posts

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Gender Law Newsletter FRI 2024#3, 01.09.2024 - Newsletter abonnieren

SCHWEIZ: STRAFRECHT

Urteil des Bundesgerichts vom 24. April 2024 (6B_1477/2022)

Die Diffamierung von «Männern afrikanischer Herkunft» und «afrikanischen Flüchtlingen» ist strafbar. Auch die Abwertung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften als «unnatürlich», insbesondere in einem diskriminierenden Kontext, kann die Schwelle der Strafbarkeit nach Art. 261bis StGB erreichen.

Im Vorfeld der Volksabstimmung zur Ehe für alle hatte der Präsident der SVP Rothrist (A.) auf Facebook mehrere Beiträge veröffentlicht: «Wenn wir es nun zulassen, dass in naher Zukunft dann auch afrikanische Flüchtlinge (mehrheitlich Männer), kleine Mädchen zwecks ‹figgifiggi› adoptieren dürfen, dann Gute Nacht mit unserer Kultur!»; «[…] Jedoch ist es einfach die Realität, dass häufig die jüngsten Mädchen von Männern afrikanischer Herkunft sexuell belästigt werden»; «Das Gesetz ist ein Schritt für weitere Forderungen zu Kindsadoptierungen von unnatürlichen Partnerschaften.» Das Obergericht des Kantons Aargau hatte A. dafür in zweiter Instanz der mehrfachen Diskriminierung und des Aufrufes zu Hass gemäss Art. 261bis Abs. 4 erster Satzteil StGB verurteilt. A. argumentierte, der Begriff «afrikanisch» sei zu unspezifisch, als dass er auf eine «Ethnie» verweisen würde. Das Bundesgericht lehnte das ab. Es führte bezüglich der Tatvariante der sexuellen Orientierung ausserdem aus, dass A. mit seinen «vorhergehenden Beiträgen einen Rahmen geschaffen [habe], in dem die Gleichwertigkeit der von Art. 261bis StGB geschützten Gruppen für den Durchschnittsadressaten ohne Weiteres erkennbar in Frage gestellt wurde.». A. hatte vorgebracht, es hätte sich bei seinen Aussagen nicht um eine «die Menschenwürde verletzende» Herabsetzung i.S. des Art. 261bis StGB gehandelt. Das Bundesgericht kam insbesondere in Auseinandersetzung mit der EGMR-Rechtsprechung zum Schluss, dass die Strafe keinen unzulässigen Eingriff in die Meinungsfreiheit darstellte.

Kommentar von Manuela Hugentobler
Das Bundesgerichtsurteil stärkt mit der Klärung, dass auch weit gefasste Begrifflichkeiten wie «afrikanisch» unter den strafrechtlichen Begriff der Ethnie fallen können, den Schutz vor rassistischer Hetze in der Schweiz. Es bestätigt, dass insbesondere in der politischen Diskussion auch zugespitzte Meinungen geäussert werden dürfen, aber stellt hier zu Recht keine Verletzung der Meinungsfreiheit fest. Das Urteil überzeugt im Ergebnis, dennoch wäre es erfreulich, wenn das Bundesgericht auch neuere Forschungsansätze zu Rassismus und Queerfeindlichkeit miteinbeziehen würde, wie beispielsweise durch eine intersektionale Perspektive. Die Aussage, es sei von Bedeutung, «dass durch die gewählte Ausdrucksweise beim Durchschnittsadressaten eine Assoziation mit der Hautfarbe hervorgerufen wird», ist vor dem Hintergrund der Rassismusforschung wenigstens infrage zu stellen. Auch wenn Hautfarbe tatsächlich ein Bezugspunkt für Rassismus sein kann, ist sie als Alleinstellungsmerkmal ungeeignet. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Vermischung rassistischer und schwulenfeindlicher Stereotype. Der Unrechtsgehalt verstärkt sich durch die Kombination homofeindlicher und rassistischer Vorstellungen von sexualisierter Gewalt durch Schwarze und der Verknüpfung schwuler Männer mit pädosexuellen Neigungen. Die der Strafrechtsdogmatik geschuldete Einzelprüfung der Aussagen anhand der beiden Kategorien erschwert es dem Gericht, dem tatsächlichen Unrechtsgehalt auf den Grund zu gehen. Das Urteil verdeutlicht die Notwendigkeit einer stärkeren Berücksichtigung des Kontextes sowie des Ineinandergreifens verschiedener Diskriminierungskategorien bei der Beurteilung von Hate Speech und Diskriminierung durch Gerichte. Eine solche Vorgehensweise könnte zu einer differenzierteren Rechtsprechung beitragen, die den Schutz von Minderheiten insbesondere in den sozialen Medien effektiver gestaltet, um eine adäquate Reaktion Justiz auf komplexe soziale Realitäten zu gewährleisten.


Direkter Zugang zum Urteil (https://www.bger.ch)
Vgl. Zusammenfassung des Urteils des Bundesgerichts vom 11 mars 2024 (6B_1323/2023) in unserem Newsletter 2024#2 (Discrimination et incitation a? la haine en raison de l'orientation sexuelle)