Selbständige Geltendmachung des Rechts auf Änderung von Geschlecht und Vornamen des neunjährigen Kindes
SCHWEIZ, EINSIEDELN: PERSONENSTAND
Einzelrichter Einsiedeln, 19. Juni 2019 (Verfahrens-Nr. ZES 2019 016)
Dieser unpublizierte Entscheid des Einzelrichters Einsiedeln heisst das Gesuch um Änderung des Geschlechtseintrags im Personenstandsregister und um Änderung des Vornamens eines neunjährigen Kindes gut und anerkennt seine Urteilsfähigkeit.
So könne die Urteilsfähigkeit von Minderjährigen in Bezug auf das Gesuch um Änderung des Geschlechtseintrags im Personenstandsregister und um Änderung des Vornamens analog zu Artikel 270b ZGB (Änderung des Namens) ab einem Alter von zwölf Jahren vermutet werden; im Falle der Geschlechtszugehörigkeit könne sie auch in einem früheren Alter angenommen werden, zumal sich das Kind oft bereits beim Kindergarten- oder Schuleintritt bewusst ist, ob es ein Knabe oder ein Mädchen ist.
Kommentar von Michelle Cottier: Der Entscheid ist ausdrücklich zu begrüssen. Die Gutheissung des Gesuchs auf Änderung des Geschlechtseintrages des neunjährigen Kindes steht im Einklang mit dem Schutz der Geschlechtsidentität des Kindes, der durch Art. 8 Abs. 1 UN-KRK vermittelt wird. Die aktuelle Reform des Rechts der Änderung von Geschlecht und Vornamen erschwert allerdings die Ausübung der höchstpersönlichen Rechte durch Minderjährige gegenüber der aktuellen Gerichtspraxis und verlangt neu die Zustimmung der gesetzlichen Vertretung, also meist der Eltern des Kindes. Im Fall des Konfliktes zwischen Eltern und Kind in Fragen der Geschlechtsidentität, der für betroffene Kinder und Jugendliche bereits mit starken psychischen Risiken wie Selbstverletzung bis hin zu Suizidalität verbunden ist, muss das Kind die Kindesschutzbehörde um Unterstützung bitten, welche «den Elternteil oder die Eltern zur Erteilung der fehlenden Zustimmung» auffordern könne, wenn auch dies nichts fruchte, müsse das Kind ans Gericht gelangen (Botschaft Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister, S. 843 f.). Wird die Vorlage unverändert angenommen, wird für die minderjährige Transgender* Person ohne Unterstützung der Eltern die Vornamens- und Geschlechtsänderung zukünftig zu einem eigentlichen Hürdenlauf. Die Rechtskommission des Nationalrats hat deshalb Recht, auf das Erfordernis der Zustimmung der Eltern verzichten zu wollen.
Direkter Zugang zur ersten Seite der Urteilsbesprechung von Michelle Cottier, AJP