Hohe Hürden bei Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts
SCHWEIZ: GLEICHSTELLUNGSGESETZ
Bundesgericht, 16. Juli 2021 (4A_208/2021)
Bundesgericht, 19. Juli 2021 (4A_33/2021)
Bundesgericht, 20. Juli 2021 (4A_636/2020)
Bundesgericht, 10. September 2021 (8C_180/2021)
Die Hürden zur Feststellung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Sinne des Gleichstellungsgesetzes sind hoch: Die den Kläger*innen auferlegte Behauptungslast ist gross und allfällige Unterlassungen, z.B. eines Eventualstandpunktes, können später kaum nachgebessert werden. Dies zeigen vier kürzlich ergangene Bundesgerichtsurteile.
In BGer 4A_208/2021 vom 16. Juli 2021 schützte das Bundesgericht eine vermutungsweise diskriminierende Kündigung einer in Jobsharing angestellten Arbeitnehmerin nach Rückkehr aus dem Mutterschaftsurlaub. Der Arbeitgeberin gelang es zu beweisen, dass der Stellenabbau aus wirtschaftlichen Gründen erfolgte und der Entscheid, mit welchem den beiden Stelleinhaber*innen gekündigt werden sollte, objektiv begründet war: Das «Potential einer langfristigen Zusammenarbeit» war bei der Beschwerdeführerin als geringer eingeschätzt worden als bei C.________. Die junge Mutter hatte nämlich ihren Wohnsitz weiter weg verlegt und die Arbeitgeberin konnte ihrem Wunsch nach Homeoffice nicht entgegenkommen.
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In BGer 4A_33/2021 vom 19. Juli 2021 blitzte der Leiter Finanzen, Administration und IT einer Gesellschaft mit einer Forderung auf Lohnnachzahlung von CHF 956'800.00 ab. Er hatte geltend gemacht, diskriminiert zu werden, weil er weniger verdiente als eine bei einer anderen Gesellschaft der Gruppe angestellte Kollegin. Es gelang ihm nicht, glaubhaft zu machen, dass die Kollegin effektiv dieselbe Position innehatte. Ganz abgesehen davon, dass es ihm nicht gelungen war, eine unternehmensübergreifende Verflechtung glaubhaft zu machen, die es erlauben würde - trotz anderer Arbeitgeberin -, einen Vergleich mit dem Lohn der Kollegin anzustellen.
Auf verschiedene Rügen trat das Bundesgericht nicht ein, weil entweder nicht erläutert wurde, weshalb die monierte Verletzung des rechtlichen Gehörs zu einem anderen Ergebnis geführt hätte oder weil nicht aufgezeigt wurde, wozu z.B. ein Zeuge hätte befragt werden sollen und wo der Beschwerdeführer dies geltend gemacht hätte.
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In BGer 4A_636/2020 vom 20. Juli 2021 liess es das Bundesgericht als objektiven Grund für einen Lohnunterschied von jährlich CHF 70'000.00 genügen, dass die Nachfolgerin «in die Fusstapfen» ihres Vorgängers getreten war. Der Vorgänger habe eine strategisch ausgerichtete und damit höhere Verantwortung getragen, er habe auf strategischer Ebene neue Prozesse in Gang gesetzt, während sie das Angefangene weiterführt und umgesetzt habe. Das Bundesgericht ging nicht auf die Frage ein, ob diese höhere Verantwortung das Ausmass des Lohnunterschiedes rechtfertigte, da die Klägerin nicht für den Fall argumentiert hatte, dass die Arbeit effektiv nicht gleichwertig sei, sondern nur das tatsächliche Bestehen der geltend gemachten Unterschiede in Abrede gestellt hatte.
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In BGer 8C_180/2021 vom 10. September 2021 schliesslich heisst das Bundesgericht – diesmal die I. sozialrechtliche Abteilung – zum zweiten Mal die Beschwerde eines hochqualifizierten Psychologen gut: Das Bundesgericht hatte seine Beschwerde bereits einmal gutgeheissen und den Fall an das kantonale Verwaltungsgericht zu weiteren Abklärungen zurückgewiesen (vgl. NL 2020#2), insbesondere damit es das Kriterium K1 der vereinfachten Funktionsanalyse – Berufserfahrung und Ausbildung – neu beurteile. Im Rückweisungsverfahren verneinte die Vorinstanz erneut die Gleichwertigkeit der Vergleichsfunktionen bezüglich Berufserfahrung, was das Bundesgericht schützte. Es wies aber den Fall an die Vorinstanz zurück, damit sie prüfe, ob die Lohneinstufung unter Berücksichtigung des Kriteriums K1 insgesamt, d.h. auch bezüglich Ausbildung, nun effektiv diskriminierungsfrei sei.
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