Familiennachzug und Einbezug des Lebenspartners in die vorläufige Aufnahme
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Gender Law Newsletter FRI 2024#3, 01.09.2024 - Newsletter abonnieren
SCHWEIZ: MIGRATIONSRECHT
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. April 2023 (F-895/2021)
Der fehlende Flüchtlingsstatus der vorläufig aufgenommenen Person und die Möglichkeit einer Eheschliessung stehen der Berufung auf Art. 8 EMRK nicht zum Vornherein entgegen (E. 7.3 f.).
Die Beschwerdeführerin ist eine vorläufig aufgenommene (F-Bewilligung) eritreische Staatsangehörige, die zusammen mit ihrem äthiopischen Lebenspartner zwei Kinder hat, die in die vorläufige Aufnahme der Mutter einbezogen wurden. Sie beantragt Bewilligung des Familiennachzugs und Einbezug des Lebenspartners in ihre vorläufige Aufnahme. Die Vorinstanz trat auf das Gesuch nicht ein mit der Begründung, dass die Beschwerdeführerin und ihr Lebenspartner nicht verheiratet seien und dieser somit nicht zum durch den ehemaligen Art. 85 Abs. 7 AIG (seit dem 1. Juni 2024 Art. 85c AIG) begünstigten Personenkreis gehöre (Ehegatten und deren Kinder).
Das Bundesverwaltungsgericht führt aus, dass der Entscheid unter dem Gesichtspunkt des Landesrechts an sich nicht zu beanstanden ist, aber im Konflikt zu Art. 8 EMRK steht, der auch andere zwischenmenschliche Beziehungen als Familienleben anerkennt und schützt, insbesondere auch stabile Konkubinatsbeziehungen. Art. 8 EMRK gelangt direkt zur Anwendung und geht als Völkerrecht vor (vgl. explizit Art. 3 Abs. 2 AIG; vgl. auch Art. 2 Abs. 1 AIG).
Die Vorinstanz hätte somit auf das Gesuch eintreten müssen, da dafür genügt, dass die gesuchstellende Person in vertretbarer Weise einen sich aus Art. 8 EMRK ergebenden Bewilligungsanspruch geltend macht.
Auf Art. 8 EMRK können sich auch solche Personen berufen, die zwar kein gefestigtes Aufenthaltsrecht im Sinne der langjährigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung haben (Schweizer Bürgerrecht, Niederlassungsbewilligung, Aufenthaltsbewilligung auf deren Verlängerung ein Anspruch besteht), deren Anwesenheit in der Schweiz jedoch faktisch als Realität hingenommen wird beziehungsweise aus objektiven Gründen hingenommen werden muss.
Selbst wenn es entgegen den Darstellungen der Beschwerdeführerin technisch möglich wäre, die Ehe einzugehen, würde einer Berufung auf Art. 8 EMRK als Konkubinatspaar nichts entgegen stehen.
Die Beschwerde wird somit gutgeheissen und die Sache zum materiellen Entscheid an die Vorinstanz zurückgewiesen, wobei das Bundesverwaltungsgericht bereits feststellt, dass die Beschwerdeführerin, auch wenn ihr die Flüchtlingseigenschaft abgeht, ein gefestigtes Anwesenheitsrecht hat (seit 12 Jahren vorläufig aufgenommen, zwei Kinder von 3 und 9 Jahren, wobei das ältere behindert ist).
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