Berücksichtigung des Mutterschaftsurlaubs von der 9. bis zur 14. Woche für den Bonus  

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Gender Law Newsletter FRI 2024#4, 01.12.2024 - Newsletter abonnieren

SCHWEIZ: GLEICHSTELLUNGSGESETZ UND MUTTERSCHAFT (2)

Urteil des Bundesgerichts 4A_597/2023 vom 15. Mai 2024

Im Rahmen eines vereinbarten Bonus steht es gemäss dem Bundesgericht dem Arbeitgeber frei, diesen von der tatsächlichen Anwesenheit abhängig zu machen: Die Berücksichtigung des Mutterschaftsurlaubs von der 9. bis zur 14. Woche nach der Niederkunft als Abwesenheit sei nicht diskriminierend.

Das Bundesgericht geht davon aus, dass es der Mutter nach der 8. Woche nach der Niederkunft freigestellt ist, die Arbeit wieder aufzunehmen, womit zwar die Mutterschaftsentschädigung entfällt, sie aber wieder Anspruch auf vereinbarten Lohn und Bonus hätte. Das Arbeitsgesetz (Art. 35 Abs. 3) sieht nämlich ein Beschäftigungsverbot bloss für die ersten 8 Wochen nach der Niederkunft vor.
Das Bundesgericht schliesst sich in seiner Argumentation der Vorinstanz an: «damit rechtfertige es sich aber – im Vergleich zu anderen unverschuldeten Abwesenheiten von Arbeitnehmenden, die bei der Bemessung der Gratifikation ebenfalls als Kürzungsgrund berücksichtigt werden könnten – nicht, diese freiwillige Abwesenheit [als] anrechenbare Beschäftigungszeit zu privilegieren
Eben so wenig sieht das Bundesgericht eine Diskriminierung in der Einstellung des Bonus während 25 Tagen schwangerschaftsbedingter Abwesenheit.

Kommentar von Rosemarie Weibel
Der Newsletter droit-du-travail.ch vom August 2024 kommentiert dieses Urteil wie folgt: 
«Das Bundesgericht neigt dazu, davon auszugehen, dass Frauen ab der neunten Woche nach der Entbindung durchaus arbeiten können, und behandelt den Mutterschaftsurlaub bis zur vierzehnten Woche als eine Art Überschuss, den sich die Arbeitnehmerin selbst einräumt. Wenn man diese Art von Überlegungen mit der europäischen Rechtsprechung und ihrer subtilen Analyse der indirekten Diskriminierung von Frauen vergleicht (siehe erst kürzlich das Urteil C-184/22 vom 29. Juli 2024 über Teilzeitarbeit), erkennt man den Abgrund zwischen den beiden Ansätzen.»
Erstaunlich ist auch, dass im Urteil keinerlei Hinweis auf Art. 11 Abs. 2 CEDAW zu finden ist und auch die einschlägige Rechtsprechung nicht im Geringsten erwähnt wird (siehe z.B. Urteil des Bundesgerichts 8C_605/2016 vom 9. Oktober 2017 – vgl. die Zusammenfassung des Urteils in https://sentenzeparita.ch – vgl. Newsletter 2018#1. Dabei ging es allerdings um das Dienstalter, das in Art. 11 Abs. 2 lit. B CEDAW explizit erwähnt wird).

Direkter Zugang zum Urteil (https://www.bger.ch)
Zusammenfassung des Urteils auf Italienisch (Sentenzeparita.ch) und auf Französisch (publications-droit.ch)