Wege zu einem Institut für Gender Law

FRI Exchange

4. Mai 2024
Nach der Jahresversammlung des FRI hat am 4. Mai 2024 in Bern unser FRI-Exchange über die möglichen Wege zum Aufbau eines Instituts für Gender Law stattgefunden. Die Teilnehmenden konnten aus den spannenden Erfahrungen von drei Gender Studies Instituten aus drei Ländern lernen.

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Gender Law Newsletter FRI 2024#2, 01.06.2024 - Newsletter abonnieren

Aufgrund des Erbes von Margrith Bigler-Eggenberger wird die Verwirklichung eines Instituts für feministische Rechtswissenschaft konkreter. Nun stellt sich die Frage, wie es weitergehen soll. In diesem FRI-Exchange haben folglich drei Referentinnen aus Frankreich, Österreich und der Schweiz die Organisation sowie die Tätigkeiten ihres Gender Instituts vorgestellt und auf unsere Fragen geantwortet. Danach hat Manuela Hugentobler das FRI und seine aktuellen Überlegungen über seine Zukunft erklärt. Gestützt auf diese zahlreichen Inputs haben wir uns schliesslich zusammen über die Aspekte ausgetauscht, die für die Weiterentwicklung des FRI als Institut wichtig erscheinen.

1) Institut du genre (Frankreich)

Dr. Anne Isabelle François ist Direktorin des Institut du Genre von Frankreich. Sie hat uns die Organisation und die Tätigkeiten dieses Instituts erklärt. Es handelt sich um eine wissenschaftliche Interessenvereinigung (Groupement d'intérêt scientifique), die 2012 auf Initiative des Centre national de recherche scientifique (CNRS) gegründet wurde. Es wird durch den CNRS, ca. dreissig institutionnelle Partner*innen (insb. Universitäten, Hochschulen und Forschungsinstitute) und die Bereitstellung von Kompetenzen (mécénat de compétence) unterstützt. Seine Tätigkeiten werden durch einen fünfjährigen, erneuerbaren Vertrag mit dem CNRS geregelt. Dieses Institut ist interdisziplinär und schliesst insb. die Soziologie, die Geschichte, die Philosophie, die Politik-, Rechts-, und Wirtschaftswissenschaften und die Psychologie ein. Es ermöglicht 1.) die Vernetzung der Personen, die in demselben Bereich arbeiten, 2.) die Orientierung der Wissenschaftspolitik, 3.) die Förderung der (insb. jungen) Forschenden durch Preise, Projektausschreibungen, Sommerschulen und die Mobilität, und 4.) die Bereitstellung, insb. für die Politik und die Medien, von Expert*innen über Genderfragen. Es organisiert diverse Veranstaltungen und alle vier Jahre einen grossen Kongress.

2) Institut für Legal Gender Studies (Österreich, Linz)

Mag. Dr. Karin Neuwirth ist stellvertretende Institutsvorständin des Instituts für Legal Gender Studies. Es handelt sich um ein Institut der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Johannes Kepler Universität (JKU) von Linz. Es ist 2010 nach fruchtbaren Initiativen in den neunziger Jahren von Ursula Floßmann (Vorständin des Instituts für Österreichische und Deutsche Rechtsgeschichte der JKU) durch eine Satzungsänderung der JKU geschafft worden. In der JKU geniessen Genderfragen aus den folgenden Gründen eine besondere Berücksichtigung: Studierende aller Fakultäten der JKU haben die Pflicht, mindestens 3 ECTS in Bezug auf Gender Studies zu erwerben. In der JKU ist zudem 2001 ein überfakultäres, interdisziplinäres Institut für Frauen- und Geschlechtsforschung gegründet worden. Diese Universität beinhaltet auch eine Antidiskriminierungsrecht-Professur und einen Arbeitskreis für Gleichbehandlungs­fragen zur Gleichstellung von Frauen und Männern, Bekämpfung der Diskriminierungen und Unterstützung der Opfer von Mobbing. Die JKU hat ein klares Commitment gegenüber dem Institut für Legal Gender Studies. Dieses Institut führt seine Forschung insb. in den Bereichen Antidiskriminierungsrecht, Gewalt- und Opferschutz, Grund- und Menschenrechte. Das historische Rechtsdenken ist dabei für das Institut wichtig. Es kooperiert mit  Anwaltschaften, Arbeiterkammern (welche die Interessen von viel Millionen Arbeitenden vertreten), Gewaltschutzzentren (d.h. gesetzlich anerkannte Einrichtungen zur Unterstützung von Menschen, die von Gewalt betroffen sind) und die LENA-Fachberatungsstelle (die frühere oder derzeitige Sexarbeitende unterstützt). Was die Gender-Lehrveranstaltungen angeht, betreut das Institut für Legal Gender Studies in den Rechtswissenschaften den Bachelor, den Master (in Steuerrecht und Steuermanagement) und das Doktorat. Es betreut auch den Bachelor in Wirtschaftsrecht und den Master in politischer Bildung. Die Einbettung des Instituts in einer Universität verschafft ihm diverse Vorteile (Sichtbarkeit, Infrastruktur, Wissenschaftsfreiheit, Mitwirkung der Universität). Sie bringt aber auch diverse universitäre Pflichten mit sich.

3) Interdisziplinäres Zentrum für Geschlechterforschung (Schweiz, Bern)

Schliesslich hat uns Prof. Dr. Michèle Amacker, Co-Leiterin des Interdisziplinären Zentrums für Geschlechterforschung (IZFG) der Universität Bern, das IZFG vorgestellt. Es ist 2001 mit der Hilfe von Bundesprämien für neu berufene Professor*innen als gesamtuniversitäre und interdisziplinäre Einheit gegründet worden. Es handelte sich ursprünglich um ein Netzwerk zwischen allen Fakultäten der Universität Bern, das Projekte und Kooperationen aufbaute. Nach dem plötzlichen Tod der Leiterin Brigitte Schnegg 2014 ist eine Professur für die Leitung des IZFG ausgeschrieben worden, was einer Zugehörigkeit zu einer Fakultät bedurfte. Das IZFG wird heutzutage von zwei Professorinnen – eine aus der Philosophisch-historischen Fakultät und eine aus der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät – geleitet. Es wird durch einen vierjährigen Leistungsvertrag mit der Universität Bern geregelt, inklusive was die finanziellen Mittel und die Anzahl Mitglieder angeht. Das IZFG muss jährlich Rechenschaft ablegen und es untersteht alle vier Jahre einer umfassenden Evaluation. Im IZFG arbeiten zurzeit über 30 Personen, aber die meisten Stellen sind befristet und projektabhängig. Die Schwerpunkte des IZFG sind u.a. die Themen Arbeit & Laufbahn, die Chancengleichheit, feministische Theorien, Postkolonialismus, Armut & Prekarität und Care. Was die Lehre angeht, bietet das IZFG einen interdisziplinären Master Minor Gender Studies, der für Studierende aller Fakultäten zugänglich ist. Ausserdem wird ein Doktoratsprogramm Gender Studies mit interdisziplinären Ansatz angeboten (Graduate School Gender Studies der Universität Bern). Die Forschungsarbeit des IZFG besteht aus der Grundlagenforschung mit vielen laufenden Projekten, der Mandatsforschung, d.h. die Ausführung von Aufträgen diverser Institutionen (z.B. der Bundesämter für Gesundheit und Justiz, des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten und Schweizer Armee) und einem Wissenstransfer (z.B. betreut es seit 2013 die Datenbank Gleichstellungentscheide und es arbeitet mit Schulklassen).

4) Der Verein FRI

Der vollständige Name des Vereins FRI ist gemäss Art. 1 seiner Statuten «Verein FRI - Schweizerisches Institut für feministische Rechtswissenschaft und Gender Law». Manuela Hugentobler hat ihn kurz vorgestellt. Er ist unabhängig von den Universitäten und anderen Organisationen und besteht aus einer Vielzahl von Jurist*innen. Seine Unabhängigkeit bedeutet sowohl viel Freiheit als auch viel ehrenamtliche Arbeit. Der Verein FRI veranstaltet jährliche Konferenzen für die Universitäten und die Praxis, die mit der Publikation von Büchern begleitet werden. Er versendet zudem vierteljährlich diesen Gender Law Newsletter. Seine Unabhängigkeit bedeutet sowohl viel Freiheit als auch viel Stress. In seiner Retraite vom Januar 2024 hat der Groupe Moteur über die mögliche Evolution des FRI insb. mit den drei folgenden Themen nachgedacht: 1.) interne Konsolidierung; 2.) Schwerpunktsetzung; und 3.) Netzwerke. Die Notwendigkeit einer Koordination durch eine Geschäftsführung ist dabei als nötig erachtet worden und eine entsprechende Stelle ist ausgeschrieben worden.

5) Gemeinsamer Austausch

Besonders wichtige Fragen im Rahmen des Austausches waren die Nachhaltigkeit des FRI als Institut (insb. seine Institutionalisierung und dauerhafte Finanzierung), sein zukünftiger Unabhängigkeitsgrad und die Aufrechterhaltung seines gesamtschweizerischen Charakters sowie seiner Netzwerke. Aus der Diskussion kamen zahlreiche Inputs. Zum Beispiel hat Anne Isabelle François dem FRI den wertvollen Ratschlag gegeben, die Frage seiner Institutionalisierung von der Frage des Wachstums seiner Tätigkeiten sorgfältig zu trennen, weil es sich um zwei unterschiedliche Fragen handelt. Sinnvoller wäre am Anfang, sich auf wenige prioritäre Projekte zu fokussieren, um die Kräfte zu schonen.  Karin Neuwirth hat auf die Schlüsselrolle der Person, die die Geschäftsführung übernehmen wird, hingewiesen. Michèle Amacher hat die Unvermeidlichkeit von Hierarchien für ein Institut innerhalb einer Universität bestätigt. Zita Küng hat ihrerseits die Kooperationsform der Vertragspartnerschaft als Option erwähnt.

6) Dank

Dieser FRI-Austausch war voller wertvollen Inputs. Wir danken alle Teilnehmende herzlich für ihren Beitrag!