Risiko einer Refibulation als Nachfluchtgrund

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SCHWEIZ: ASYLRECHT

Urteil des Bundesverwaltungsgerichts D-1011/2022 vom 21. November 2024

Der Verweis einer alleinstehenden und kinderlosen somalischen Frau nach Somalien, wo sie als Kind einer Genitalienverstümmelung unterzogen wurde, die in der Schweiz rückgängig gemacht wurde, ist aufgrund des Vorliegens eines subjektiven Nachfluchtsgrunds unzulässig.

Eine Frau wurde als Kind in Somalien pharaonisch beschnitten. Sie hatte später aus weiteren Gründen in der Schweiz ein Asylgesuch eingereicht, das abgewiesen wurde. Ihre Wegweisung wurde zwar angeordnet, aber aufgrund ihrer Unzumutbarkeit nicht vollzogen und sie wurde vorläufig aufgenommen. In einer Beschwerde hat diese Frau aber als Nachfluchtgrund ihre Defibulation in der Schweiz und das Risiko einer Refibulation in Somalien geltend gemacht. Aufgrund der begründeten Furcht der Beschwerdeführerin, in Somalia im Sinn von Art. 3 AsylG verfolgt zu werden, hat das Bundesverwaltungsgericht erachtet, dass sie in der Eigenschaft als «Flüchtling» vorläufig aufzunehmen war Das Gericht hat sich insbesondere auf die folgenden Erwägungen gestützt: «Für alleinstehende Frauen besteht in Somalia ein hohes Risiko, Opfer geschlechtsspezifischer Verfolgung zu werden. Weibliche Genitalverstümmelung stellt eine Form geschlechtsspezifischer Gewalt dar, die sowohl psychisches wie physisches Leiden zur Folge hat und einer asylrelevanten Verfolgung gleichkommt. [... Es] kann nicht mit genügender Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin, die als alleinstehende und kinderlose Frau nach Somalia zurückkehren müsste, in der Lage wäre, sich den gesellschaftlichen Normen und Sitten sowie dem sozialen Druck zu widersetzen, sich einer erneuten Genitalbeschneidung zu unterziehen» (E. 6.2–6.4).

Direkter Zugang zum Urteil (https://bvger.weblaw.ch)