Eingestelltes Strafverfahren gegen Mutter nach Abtreibung: Erzeuger nicht zur Beschwerde berechtigt
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Gender Law Newsletter FRI 2024#4, 01.12.2024 - Newsletter abonnieren
SCHWEIZ: STRAFRECHT
Urteil des Bundesgerichts 7B_1024/2023 vom 26. Juni 2024
«Der Erzeuger eines abgetriebenen Fötus ist nicht berechtigt, die Einstellung des Strafverfahrens gegen die Mutter wegen strafbaren Schwangerschaftsabbruchs mit Beschwerde anzufechten. Er ist nicht Träger des mit der fraglichen Strafbestimmung geschützten Rechtsguts und kann auch nicht als Opfer-Angehöriger gelten, weil dieses ungeborene Leben nie eine eigene Rechtspersönlichkeit erlangt hat.»
A. hatte gegen seine ehemalige Freundin Strafantrag gestellt, unter anderem wegen strafbarem Schwangerschaftsabbruch (vgl. Art. 118 StGB), weil die am 17. Mai 2022 vorgenommene Abtreibung nach der 12. Schwangerschaftswoche erfolgt war (aufgrund der von den Ärzten bejahten Gefahr einer schweren seelischen Notlage der Schwangeren). Nach Durchführung diverser Untersuchungshandlungen sowie namentlich einer Gegenüberstellung stellte die Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg das Verfahren ein und verwies die Zivilklage auf den Zivilweg. Das Kantonsgericht hiess die Beschwerde von A. teilweise gut. Mit Bezug auf insbesondere den strafbaren Schwangerschaftsabbruch wies es sie jedoch ab, woraufhin A. sich an das Bundesgericht wandte.
Was das Nichteintreten der Vorinstanz auf die Beschwerde hinsichtlich des strafbaren Schwangerschaftsabbruchs anbelangt, rügte der Beschwerdeführer insbesondere (Erwägung 3.1), «die Vorinstanz habe ihm hinsichtlich des strafbaren Schwangerschaftsabbruchs zu Unrecht die Parteistellung abgesprochen. Als Kindsvater des "abgetöteten Fötus" sei er als "Opfer im Sinne von Art. 115 StPO" anzusehen und bereits aus diesem Grund legitimiert, Beschwerde gegen die Einstellung des Strafverfahrens wegen strafbaren Schwangerschaftsabbruchs zu führen».
Geschütztes Rechtsgut des Art. 118 Abs. 3 StGB ist das menschliche Leben während der Schwangerschaft (E. 3.3.2). Nach der gesetzlichen Konzeption des Zivilgesetzbuchs beginnt die Persönlichkeit mit dem Leben nach der vollendeten Geburt und endet mit dem Tode (Art. 31 Abs. 1 ZGB). Vor der Geburt ist das Kind nur unter dem Vorbehalt rechtsfähig, dass es lebendig geboren wird (Art. 31 Abs. 2 ZGB). Das Kind, das tot geboren wird, erwirbt mithin keine Rechtsfähigkeit (E. 3.3.3).
Wird das ungeborene Leben im Mutterschosse durch Schwangerschaftsabbruch beendet, konnte es nach Art. 31 ZGB niemals Persönlichkeit erlangen. Damit ist das ungeborene Leben aber auch keine geschädigte Person im Sinne von Art. 115 Abs. 1 StPO und folglich auch kein Opfer gemäss Art. 116 Abs. 1 StPO (E.3.3.4).
Daraus folgt, dass der Kläger nicht Angehöriger des ungeborenen Lebens sein kann (E.3.4), womit er nicht beschwerdelegitimiert und die Beschwerde abzuweisen ist. Kommentar von Rosemarie Weibel
Es zeigt sich hier einmal mehr die Auseinandersetzung um Selbst- und Fremdbestimmung schwangerer Frauen, und wie weit die Rechte eines Erzeugers unabhängig von rechtlicher und sozialer Elternschaft gehen.
Siehe dazu auch die Überlegungen von Alessia Bolognese zur Frage der Persönlichkeitsverletzung eines Elternteils, der nicht über die Vaterschaft informiert worden war, im Newsletter 2020#4.
Direkter Zugang zum Urteil (https://www.bger.ch)
Direkter Zugang zur Pressemitteilung zum Urteil (https://www.bger.ch)