Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und Schutz seiner Opfer

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EU: VERABSCHIEDUNG EINER RICHTLINIE

Richtlinie (EU) 2024/1712 vom 13. Juni 2024: Gastbeitrag von Rebecca ROHM

Mit dieser neuen Richtlinie werden Anforderungen zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer ergänzt.

Die Richtlinie (EU) 2024/1712 vom 13. Juni 2024 ändert und ergänzt die Richtlinie (EU) 2011/36 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer. Diese neue Richtlinie bringt Änderungen in den Bereichen Strafverfolgung, Prävention, Schutz und Unterstützung von Betroffenen sowie strukturelle Rahmenbedingungen. Im Folgenden wird kurz auf ausgewählte Neuerungen eingegangen. Im Bereich der Strafverfolgung bringt die Richtlinie einerseits neue Straftatbestände und Strafschärfungsgründe und andererseits einen umfassenden Schutz vor behördlicher Verfolgung für Betroffene von Menschenhandel.

Art. 2 der Richtlinie (EU) 2024/1712 enthält den Gesetzgebungsauftrag, den dort näher definierten Menschenhandel zum Zwecke der Ausbeutung unter Strafe zu stellen. In der nicht abschließenden Aufzählung, was Ausbeutung in diesem Sinne umfasst, fand sich bisher die sexuelle Ausbeutung, Zwangsarbeit, Sklaverei und Organentnahme. Diese Aufzählung wurde nun ausdrücklich um die Ausbeutung durch Leihmutterschaft, Zwangsheirat und illegale Adoption erweitert. Ausbeutung von Leihmutterschaft in diesem Sinne ist gemeint, wenn eine Frau unter Zwang oder mit Täuschung genötigt wird, ein Kind auszutragen und abzugeben. Auch wenn die Praktiken bereits nach geltender Rechtslage bei Vorliegen aller Tatbestandsmerkmale als Menschenhandel strafbar waren, sollten die Ausbeutungsformen angesichts der Schwere dieser Praktiken und um ihrer stetig zunehmenden Zahl und Bedeutung entgegenzuwirken, nunmehr ausdrücklich aufgenommen werden (Erwägungsgrund 6).

Art. 18a neu der geänderten Richtlinie (EU) 2011/36 sieht eine Strafbarkeit für die Inanspruchnahme von Diensten vor, die von Betroffenen des Menschenhandels aller Ausbeutungsformen erbracht wurden. Bisher war hier hauptsächlich die Strafbarkeit der Inanspruchnahme von sexuellen Dienstleistungen geregelt. Dies führte zu einer Strafbarkeitslücke für diejenigen, die vorsätzlich von anderen Ausbeutungsformen profitieren. In diesem Zuge wurden auch die Sanktionsmöglichkeiten gegen juristische Personen erweitert, die von beispielsweise Zwangsarbeit profitieren. Neben Geldsanktionen können nun auch Zulassungen entzogen, die Geschäftstätigkeit verboten oder auch Gerichtsentscheidungen über die begangene Straftat veröffentlicht werden.

Gemäß dem sog. non-punishment Prinzip verpflichtet Art. 8 der geänderten Richtlinie (EU) 2011/36 dazu sicherzustellen, dass Betroffene von Menschenhandel weder strafrechtlich noch sonst behördlich für Handlungen belangt werden, zu denen sie sich infolge des Menschenhandels gezwungen sahen. Damit sollen die Betroffenen umfassend geschützt werden, d.h. auch vor ordnungsrechtlichen und aufenthaltsrechtlichen Sanktionen bspw. wegen unerlaubten Aufenthalts oder aufdringlichen Bettelns (vgl. § 118 deutsches Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten, OWiG).
Wichtig sind auch die Maßnahmen zur Online-Dimension von Menschenhandel. Heutzutage finden viele Straftaten der organisierten Kriminalität, also auch einzelne Schritte der Ausbeutung durch Menschenhandel im Internet statt. Strafverfolgungsbehörden müssen demnach über angemessenes technisches Fachwissen verfügen (Art. 9 Abs. 3 der geänderten Richtlinie (EU) 2011/36). Informations- und Aufklärungskampagnen müssen geschlechtersensibel sein und besonders vulnerable Gruppen wie Kinder, Jugendliche und Menschen mit Behinderungen sensibilisieren (Art. 18 Abs. 1 der geänderten Richtlinie (EU) 2011/36). Schließlich fällt wieder positiv auf, dass die Richtlinie ausdrücklich eine besondere Schutzbedürftigkeit wegen intersektionaler Diskriminierung anerkennt (vgl. Erwägungsgrund 4 der Richtlinie (EU) 2024/1712).

Die Änderung der Richtlinie scheint (strafrechtliche) Schutzlücken zu schließen. Nun liegt es an den Mitgliedstaaten, ihrer Pflicht zur effektiven Umsetzung der Richtlinie aus Art. 288 Abs. 3 AEUV bis zum 15. Juli 2026 nachzukommen (Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2024/1712). Interessant sind die erweiterten Sanktionsmöglichkeiten gegen juristische Personen, die von Ausbeutung durch Menschenhandel profitieren. Ob die erwünschte abschreckende Wirkung hierdurch erreicht wird, hängt maßgeblich davon ab, inwiefern die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung und Anwendung der Richtlinie auch von den fakultativen Sanktionsmöglichkeiten Gebrauch machen.

Direkter Zugang zur Richtlinie (EU) 2024/1712 (https://eur-lex.europa.eu)
Direkter Zugang zur geänderten Richtlinie (EU) 2011/36 (https://eur-lex.europa.eu)
Siehe auch: Deutsches Institut für Menschenrechte, Änderungen der EU-Richtlinie 2011/36/EU zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer. Überblick über die wichtigsten Neuerungen (Factsheet), September 2024